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Mehr Zeit im Digitalen verbringen, mehr Daten erzeugen, mehr Geld ausgeben: Willkommen in Zuckerbergs Metaverse
Mark Zuckerberg hat eine Vision: in fünf bis zehn Jahren wird es alltäglich sein, mit einer raffinierten Brille auf dem Kopf in eine virtuelle Realität einzutauchen, um zu arbeiten, zu lernen und zu spielen. Am besten besucht man die Parallelwelten zusammen mit anderen Menschen, die mal als fotorealistische Kopien ihrer selbst, mal als Giraffen oder Roboter herumschwirren. Da kein Handy-Screen mehr stört, kann man voll im virtuellen Moment leben und sich in die digitalen Augen schauen – die Zukunft der Kommunikation ist 3D. Im Metaverse – einem aus der Science-Fiction stammenden Konzept für ein immersives, begehbares Internet, das virtuelle Realität (VR) und erweiterte Realität (AR) kombiniert – stehen endlich nicht mehr Geräte, sondern Menschen im Mittelpunkt. Zuckerberg will so das „ultimative Versprechen von Technik“ einlösen: „be together with anyone, teleport anywhere, create and experience anything“.

Mark Zuckerberg hat eine Vision: in fünf bis zehn Jahren wird es alltäglich sein, mit einer raffinierten Brille auf dem Kopf in eine virtuelle Realität einzutauchen, um zu arbeiten, zu lernen und zu spielen. Am besten besucht man die Parallelwelten zusammen mit anderen Menschen, die mal als fotorealistische Kopien ihrer selbst, mal als Giraffen oder Roboter herumschwirren. Da kein Handy-Screen mehr stört, kann man voll im virtuellen Moment leben und sich in die digitalen Augen schauen – die Zukunft der Kommunikation ist 3D. Im Metaverse – einem aus der Science-Fiction stammenden Konzept für ein immersives, begehbares Internet, das virtuelle Realität (VR) und erweiterte Realität (AR) kombiniert – stehen endlich nicht mehr Geräte, sondern Menschen im Mittelpunkt. Zuckerberg will so das „ultimative Versprechen von Technik“ einlösen: „be together with anyone, teleport anywhere, create and experience anything“.

Vom virtuellen Konzert springt man zu den eisigen Ringen des Saturn, dann taucht man zum Great Barrier Reef ab. Praktische Anwendungen gibt es in Form einer 3D-Anleitung zur Reparatur des geliebten Oldtimers, angehende Chirurg:innen können die Handgriffe von schwierigen Operationen üben. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Die phantastischen Welten und Erlebnisse sowie die virtuellen Besitztümer darin werden von unzähligen Künstler:innen und Entwickler:innen geschaffen und verkauft. So entsteht in den Köpfen visionärer Vordenker bereits eine riesige neue Wirtschaft, die uns Wahlmöglichkeiten in bislang ungekanntem Ausmaß eröffnen soll. Schon heute werden für exorbitante Beträge virtuelle Grundstücke verkauft: einer Person war die Parzelle neben der von Rapper Snoop Dogg 450.000 Dollar wert und das Krypto-Unternehmen Tokens.com sicherte sich für 2,4 Millionen Dollar eine Adresse in der Fashion Street von Decentraland, um dort künftig mit virtuellen Events Geld zu verdienen.

Doch bis wir die von Vishal Shah, Zuckerbergs Vice President für das Metaverse, angekündigten „unvorstellbar sinnstiftenden“ VR-Abenteuer erleben können, müssen noch rund ein Dutzend technische Durchbrüche realisiert werden. Zuckerberg ist jedenfalls zuversichtlich und hat schon mal symbolisch den Facebook-Konzern in Meta umbenannt. Auch scheut er nicht die vielen Milliarden an Investitionen, die es braucht, damit Metas Metaverse zum Nachfolger des mobilen Internets werden kann.

Die Hypemaschinerie läuft also auf Anschlag, unzählige weitere Konzerne und Start-Ups investieren Geld und große Worte in das ‚Next Big Thing‘. Microsoft etwa will Meta die „trillion dollar market opportunity“ nicht kampflos überlassen und plant, den Spielehersteller Activision Blizzard für 69 Milliarden Dollar einzukaufen. Wie in den vergangenen Jahrzehnten, als technische Innovationsschübe uns immer häufiger als naturphänomengleiche Alternativlosigkeiten verkauft wurden, dienen sie letztlich vor allem als Frischzellenkuren für unser wundgelegenes Wirtschaftsmodell. Die ihnen zugrundeliegenden gesellschaftlichen Triebfedern und Wertmaßstäbe bleiben ökonomisch geprägt.

Der Hype um das Metaverse legt eine falsche Fährte: Wir sollen über technische Innovationen reden, um vom Rest zu schweigen. Im Metaverse sollen Kund:innen – wie auch bei den Gadgets der letzten Jahrzehnte – mehr Zeit in digitalen Welten verbringen, dabei mehr persönliche Daten erzeugen und zugleich öfter Geld ausgeben.

Ein Computerspiel alter Schule kostet etwa 60 Euro und bindet Spieler:innen stundenlang in einer Blase. Daher begann die Computerspielindustrie bald, durch Kaufmöglichkeiten innerhalb der Spiele – für Schwerter, Heilpflanzen, Spielgeld, etcetera – den Umsatz pro User:in pro Spielstunde zu erhöhen. Dasselbe Prinzip erwartet uns im Metaverse, nur dass wir dort auch Merchandise einer Band, NFT-Kunst oder ein schickes Outfit für unseren Avatar kaufen können. Meta will davon bis zu 47.5% an Kommission einstreichen.

Kürzlich eingereichte Patente des Meta-Konzerns legen nahe, dass neben mutmaßlichen Gebühren vor allem Werbung und Tracking die Wertschöpfung im Metaverse bestimmen werden. Zunehmen wird wohl auch das Goldfarming durch prekäre Arbeiter:innen und Inhaftierte, die nebeneinander aufgereiht vor allem in China oder Venezuela vor dem Computer sitzen und seltene Spielgegenstände oder begehrte Avatare erspielen, um sie an reiche, jobgestresste Gamer zu verkaufen. Die abstrusen Klimaschäden, die die Rechenleistung eines Metaverse, vor allem die unabdingbaren Blockchains erzeugen, haben wir bis hierhin noch nicht einmal erwähnt. Silicon Valleys Innovationsbesessenheit bekommt so eine andere Note, denn hier wird unsere Zukunftsfähigkeit disruptiert.

An einer Stelle seiner Präsentation des Metaverse wird Mark Zuckerberg philosophisch: „Denken Sie darüber nach, wie viele physische Dinge Sie heute haben, die in Zukunft nur noch Hologramme sein könnten.“ Bekannterweise lautet ein gängiges kapitalismuskritisches Argument, dass Bürger:innen Konsumprodukte fetischisieren und von ihrem Besitz Glück erwarten. Das MΞT₳VER$E treibt dies geschickt auf die Spitze: User:innen geben Geld aus und besitzen doch nichts, außer vielleicht ein paar hologrammische Handtaschen.

VOLKER BERNHARD UND MAXIM KELLER gehören zum Arbeitskreis für zukunftsfähige Digitalität, der mit dem Rat für Digitale Ökologie zusammenarbeitet. An dieser Stelle hinterfragt der Arbeitskreis digitale Entwicklungen aus sozialökologischer Perspektive.

Erschienen in der taz FUTURZWEI, Magazin für Zukunft und Politik, Ausgabe 21